Alltagsintegrierte Sprachbildung
Online- und Präsenzseminare Udo Elfert

Die Schlüsselwortstrategie im Spracherwerb


Der Einsatz der Schlüsselwortstrategie beim kindlichen Spracherwerb ist eine rezeptive Fähigkeit, also eine Fähigkeit auf der Ebene des Sprachverständnisses. Im Rahmen der Sprachentwicklung beginnt diese durchschnittlich im 9. Lebensmonat und endet mit etwa 18 Monaten.

Schlüsselwortstrategie bedeutet, dass ein Kind das zentrale, wichtigste Wort – das Schlüsselwort – aus dem Lautstrom, also aus dem, was eine Bezugsperson zum Kind sagt, heraushört und mit einer Bedeutung belegt. Da das Kind in diesem Alter noch nicht zur Begriffs- und Kategorienbildung in der Lage ist, ist die Bedeutung dieser ersten Wörter eine andere als für ältere Kinder und Erwachsene: Das Kind sammelt alle Erfahrungen, die es mit einem bestimmten Objekt gemacht hat, in diesem Korb und fasst all diese Erfahrungen in dem einen Wort zusammen.

Beispiel: Die Bedeutung des Wortes 'Teddy' könnte für ein Kind in diesem Alter beispielsweise sein: „Der Gegenstand ist ganz weich und fühlt sich sehr angenehm an. Ich kuschle gerne damit. Das Objekt sieht freundlich aus. Es liegt oft im Bett und auf dem Sofa. Der Teddy hat große, schwarze Augen. Mama hat ihn in ihrer Tasche, wenn wir weggehen.“

 

Das Kind hört bei der Schlüsselwortstrategie einzelne Wörter aus dem Gesagten heraus. Da stellt sich die Frage:

Woher weiß das Kind eigentlich, was in einem Satz das Schlüsselwort ist?

Das Kind spricht die Sprache ja noch nicht. Es kennt die einzelnen Wörter noch nicht. Woher weiß das Kind, welches das Schlüsselwort ist?

 

  • Zunächst geht es dem Kind darum, überhaupt einzelne Wörter aus dem Lautstrom herauszuhören. Dafür ist es im Rahmen der alltagsintegrierten Sprachbildung wichtig, dass die erwachsenen Bezugspersonen die einzelnen Wörter nicht miteinander verschleifen, sondern so sprechen, dass die einzelnen Wörter hörbar klar voneinander zu trennen und zu unterscheiden sind. Also eher nicht: „Hierhasudenball,“ sondern: „Hier hast du den Ball.“ Dies ist beim Einsatz der Ammensprache meistens der Fall. - Man muss es hier auch nicht übertreiben; es ist nur darauf zu achten, dass die Wörter eines Satzes nicht miteinanderverschliffen werden und dass sie nicht so klingen, als seien sie ein einziges Wort.

Darüber hinaus bedarf es noch zweier weiterer Faktoren, damit ein Kind die Schlüsselwortstrategie überhaupt einsetzen kann.

  • Das, was das Kind von der erwachsenen Bezugsperson hört, sollte mit einem deutlichen Sprechrhythmus und mit einer deutlichen Sprechmelodie, also mit einer deutlichen Betonung gesagt werden. Erst dann hat das Kind überhaupt die Chance, das Schlüsselwort im Satz zu isolieren und diesem im zweiten Schritt eine Bedeutung zuzuordnen.

Wenn mit dem Kind in Ammensprache gesprochen wird – und dies ist meistens der Fall – dann treten die deutliche Betonung und die deutliche Prosodie ganz natürlich auf.

Hierbei kann man erkennen, dass die Ammensprache in diesem Alter nicht nur ihre Berechtigung hat, sondern eine notwendige Voraussetzung für die Schlüsselwortstrategie ist: Spricht ein Erwachsener in Ammensprache mit dem Kind, bekommt das Kind im übertragenen Sinn „ganz lange Ohren“; es hört zu und weiß: ‚Das ist wichtig, das gilt mir. Da höre ich genau hin. Vielleicht kann ich Wörter als Schlüsselwörter aus dem Lautstrom isolieren (heraushören).‘

 

  • Notwendig für die Schlüsselwortstrategie ist nicht nur eine deutliche Betonung und Prosodie, wie sie im Rahmen der Ammensprache zu finden ist, sondern auf der Seite des Kindes auch ein Gefühl für Betonung und Rhythmus. Hätte das Kind dieses nicht, dann würde die erwachsene Bezugsperson zwar in Ammensprache mit dem Kind sprechen, aber im Gehirn würde die Betonung aufgrund des mangelnden Rhythmusgefühls nicht „ankommen“, und das Kind könnte einzelne Wörter nicht heraushören und die Schlüsselwortstrategie nicht einsetzen.

Zum Glück haben die meisten Kinder schon von Geburt an ein gut ausgeprägtes Rhythmusgefühl, weil sie schon vorgeburtlich mit verschiedenen Rhythmen in Kontakt gekommen sind: der Herzschlag der Mutter, die Atmung der Mutter, rhythmische Bewegungen der Mutter (Gehen, Laufen), der Sprechrhythmus der Mutter, der Sprechrhythmus von anderen Personen und Musik.

 


Tipps für die alltagsintegrierte Sprachbildung

Sie können als pädagogische Fachkräfte die Anwendung der Schlüsselwortstrategie bei einem Kind unterstützen:

  • Hilfreich sind selbstverständlich alle grundlegenden Sprachbildungsstrategien wie: Blickkontakt, Respond, Turn-Taking, Berücksichtigung des triangulären Blickkontakts, freundliche Mimik (freundliches Gesicht), warme Stimme, Auf-Augenhöhe-Sprechen, auch Benennen und handlungsbegleitendes Sprechen.
  • Wie oben beschrieben ist es für den erfolgreichen Einsatz der Schlüsselwortstrategie bei einem Kind notwendig, dass die erwachsene Bezugsperson mit einer deutlichen Betonung und mit einem deutlichen Rhythmus spricht. Daher sollten auch pädagogische Fachkräfte Elemente der Ammensprache einsetzen.
  • Ein wichtiger Faktor dafür, dass neue Wörter überhaupt von einem Kind verstanden, mit einer Bedeutung belegt und im semantischen Lexikon (im Wortschatz) abgespeichert werden, ist die Wiederholung. Besonders sinnvoll ist es, wenn das betreffende (neue) Schlüsselwort im selben Kontext dem Kind wiederholt präsentiert wird. - Beispiel: Das Kind schaut auf einen Ball, der im Raum liegt. Es schaut dann die erwachsene Bezugsperson an, die sich ebenfalls im Raum befindet (triangulärer Blickkontakt). Der/die Erwachsene erwidert den Blick des Kindes, schaut ebenfalls auf den Ball, macht eine Zeigegeste zum Ball, schaut wieder das Kind an und sagt mit Ammensprache, also mit deutlicher Betonung, einem deutlichen Sprechrhythmus und leicht erhöhter Sprechstimmlage: „Da liegt ja ein Ball. Was für ein schöner, roter Ball. Möchtest du gerne den Ball haben?... Hier hast du den Ball.“ (Fett markiert bedeutet hier = betont ausgesprochen)
  • Auch alle Methoden, welche das Rhythmusgefühl von Kindern fördern, sind nicht nur zur Unterstützung der Schlüsselwortstrategie hilfreich, sondern ganz allgemein im Rahmen der alltagsintegrierten Sprachbildung sinnvoll: Klatschspiele, Kosespiele, Kniereiterspiele, Reime, Verse, Lieder und Singen, Sprechgesang, Abzählreime, Fingerspiele, Bewegungsspiele. 




(c) Udo Elfert 2021


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